Wann das ewige Widerrufsrecht noch gilt

Bei welchen Verbraucherdarlehensverträgen greift weiterhin der Widerrufsjoker ?

Das Widerrufsrecht für Verbraucher hat die letzten Jahre immer wieder Änderungen erfahren. Welches Recht Anwendung findet, richtet sich nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren Recht. Nicht sämtliche Widerrufsrechte sind aber erloschen.

Nach einer Gesetzesänderung in 2016 sollte nach dem Willen des (deutschen) Gesetzgebers das Widerrufsrecht für Verbraucher zumindest für Kreditverträge, die zwischen dem 01.09.2002 und dem 10.06.2010 abgeschlossen worden sind, beendet sein.

Vielfach war pauschal und voreilig vom „Aus für den Widerrufsjoker“ die Rede. Doch dies gilt nicht für sämtliche Kreditverträge.

Ende des Widerrufsrechts gilt nicht für alle Verträge ...

Was manche Beobachter übersehen haben: die wichtigste Einschränkung des Widerrufsrechts gilt nur für Immobilienkredite und nur für so genannte „Altverträge“ – also für Verträge, die vor Inkrafttreten der EU-Verbraucherkreditlinie am 11.06.2010 abgeschlossen worden sind. Mit anderen Worten:

Der Ausschluss des Widerrufsrechts ab dem 22.06.2016 gilt somit nur für Immobilienkreditverträge mit einer fehlerhaften Belehrung und die vor dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden - nur solche Verträge können Verbraucher seit dem 22.06.2016 nicht mehr widerrufen.

Für Verträge, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 20.03.2016 abgeschlossen worden sind, gilt weiterhin das „unbefristete Widerrufsrecht“ und können somit heute noch widerrufen werden.

Immobiliardarlehensverträge, die zwar vor dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden, und in der die Bank dem Verbraucher dazu gar keine Widerrufsbelehrung erteilt hat, können weiterhin unbefristet widerrufen werden.

Folgende Darlehensverträge können deshalb nach wie vor heute widerrufen werden:

 

  1. Immobiliendarlehen, die zwar vor dem 11.06.2010 abgeschlossen worden sind, aber die Bank dem Verbraucher dazu gar keine Widerrufsbelehrung erteilt hat.

  2. Sämtliche Kreditverträge, die zwischen dem 11.06.2010 und dem 21.03.2016 abgeschlossen worden sind.

  3. Verbraucherdarlehen ab November 2002, auch Immobiliendarlehen, welche in einer Haustür-situation angebahnt oder abgeschlossen wurden und die noch nicht vollständig erfüllt sind.

  4. Vereinbarungen bei laufenden Darlehen über eine neue Zinsbindungsdauer, welche unter aus-schließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (so genannter Fernabsatz mittels Telefon, Post, E-Mail, Fax) verhandelt und abgeschlossen wurden. Ein typischer Fall ist z.B.: Telefonische Vereinbarung und nachfolgender Abschluss der Vereinbarung über eine neue Zinsbindung per Post.

  5. Immobiliendarlehen, welche zwischen dem 08.12.2004 und dem 10.06.2010 in einer Fernabsatz-situation zustande gekommen sind und noch nicht vollständig erfüllt sind.

  6. Immobilienfinanzierung als Darlehen für private Zwecke (auch für Existenzgründer), welche nach dem 10.06.2010 abgeschlossen wurden sowie ...

  7. sämtliche sonstige Verbraucherdarlehen, die nicht zur Finanzierung einer Immobilie gedient haben (wie z.B. Pkw-Finanzierungen, allgemeiner Verbraucherkreditvertrag u.a.).

Auch neuere Widerrufsbelehrungen fehlerhaft ...

Bei ganz neuen, seit dem 21.03.2016 abgeschlossenen Immobilienkreditverträgen ist der Widerruf allerdings nach dem Willen des Gesetzgebers selbst bei völlig falscher Widerrufsbelehrung begrenzt worden auf maximal ein Jahr und vierzehn Tagen nach Vertragsabschluss.

Allerdings zeigt die Erfahrung, dass auch Darlehensverträge, die ab dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden, unter Umständen auch heute noch widerrufen werden können. Tatsächlich haben bereits zahlreiche Gerichte einige Widerrufsklauseln in neueren Verträgen als unwirksam angesehen.

Insbesondere bei Immobiliendarlehen stellt sich für den Verbraucher die Frage, ob er jetzt in der Zeit sehr niedriger Zinsen wirksam einen Widerruf erklären soll, um sich z.B. ohne Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Vertrag lösen zu können. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu diesem Thema bereits zahlreiche Entscheidungen zugunsten von Verbrauchern getroffen, von denen diese finanziell profitieren können.

Beispiele für eine solche fehlerhafte Widerrufsbelehrung:

Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angabe zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.“ (BGH, Urteil vom 22.11.2016, AZ: XI ZR 434/15; vom 04.07.2017, AZ: XI ZR 741/16)

Der Klassiker unter den fehlerhaften Widerrufsbelehrungen lautet wie folgt:

Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.

(BGH, Urteil vom 01.12.2010, AZ: VIII ZR 82/10)

 

Bei zahlreichen Belehrungen bis 2010 wurde folgende unwirksame Passage in der Widerrufsbelehrung verwendet:

Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem Ihnen

- ein Exemplar der Widerrufsbelehrung,

- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde

oder des Vertragsantrags

 zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses."

(BGH, Urteile vom 10.03.2009, AZ: XI ZR 33/08; vom 16.05.2017, AZ: XI ZR 586/15)

Sparpotential enorm ...

Eine rechtliche Prüfung der Widerrufsbelehrung lohnt sich für jeden Verbraucher allemal, das Sparpotential kann erheblich sein. Mitte 2010 zahlten Darlehensnehmer noch über 3,5 % p.a. Zinsen, heute nur noch etwas über 1,0 % p.a. ! Bei höheren Krediten bei entsprechender Laufzeit sparen Verbraucher danach mehrere EUR 1.000,00.

Zudem muss bei einer Rückabwicklung aufgrund eines Widerrufs keine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt werden. Auch eine bereits bezahlte Vorfälligkeitsentschädigung kann zurück gefordert werden !

Die auf Verbraucherrecht spezialisierte Kanzlei ZAGNI Rechtsanwalt vertritt seit Jahren zahlreiche Bankkunden sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich. Wir prüfen im Rahmen der Erstberatung auch Ihre Widerrufsbelehrung gerne und zeigen Ihnen die rechtlichen und vor allem finanziellen Folgen eines Widerrufs auf.

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht

Aktuelle News WiderrufsbelehrungWideruf
16.11.2018
Patrick Zagni
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