Die Klägerin hat 1978 einen Bausparvertrag abgeschlossen, der 1993 zuteilungsreif wurde. Die Bausparerin stellte sodann die Zahlung ihrer Sparraten ein, ohne ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Im Januar 2015 kündigte die Bausparkasse den Vertrag, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig angespart gewesen ist.

OLG Stuttgart: Kein Berufen auf § 489 BGB möglich

Der 9. Zivilsenat des OLG hält die Kündigung für unberechtigt. Die Bausparkasse könne sich nicht auf die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen, wonach ein Darlehensnehmer den Kredit 10 Jahre nach dessen vollständigen Empfang kündigen kann. Denn nach den Allgemeinnen Bausparbedingungen (ABB) sei der Bausparer verpflichtet, Regelsparbeiträge bis zur Auszahlung der Bausparsumme zu zahlen. Vor Ende dieser Pflicht habe die Bausparkasse das als Darlehen anzusehende Guthaben nicht vollständig empfangen. Der Zeitpunkt der Zuteilungsreife spiele nach den ABB keine Rolle.

Vertragliches Kündigungsrecht nicht ausgeschlossen

Entgegen der Ansicht der Wüstenrot ist nach OLG Stuttgart die gesetzliches Kündigungsvorschrift auch nicht analog anwendbar. Denn die überlange Vertragsdauer müsse die Bausparkasse nicht hinnehmen: nach den ARB könne sie die Bausparerin auffordern, die vertraglich geschuldeten Sparbeiträge wieder zu leisten. Werde dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, habe die Bausparkasse ein vertragliches Kündigungsrecht und es dadurch selbst in der Hand, eine überlange Bindung an den (hohen) Vertragszins zu verhindern.

Bausparkasse nicht schutzbedürftig ...

Im Falle einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung wäre die Bausparsumme innerhalb von 10 Jahren ab Zuteilungsreife vollständig angespart worden. Wenn die Bausparkasse selbst - möglicherweise im eigenen Interesse - ein faktisches Ruhen des Vertrages erlaube und ein vertragliches Kündigungsrecht nicht nutzt, sei sie nicht schutzbedürftig und könne sich nicht später auf eine analoge Anwendung eines gesetzliches Kündigungsrechts berufen.

Die Revision zum Bundesgerichtshof hat das OLG Stuttgart ausdrücklich zugelassen, weil diese Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat und andere Oberlandesgerichte eine gegenteilige Ansicht vertreten.

Bausparer sollten sich weiter wehren ...

Die Anwaltskanzlei ZAGNI Rechtsanwalt ist auf die Vertretung von Anlegern und Bankkunden im Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Im gesamten Bundesgebiet vertreten wir Bausparer sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich und haben auch Urteile zugunsten von Bausparern erstritten.

 

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt / Fachanwalt für
Bank- und Kapitalmarktrecht