Europäischer Gerichtshof erklärt Millionen Kreditverträge für unwirksam

 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippt Kreditverträge von deutschen Autobanken wegen unzureichender Informationen. Zahlreiche Kunden können nun nicht nur ihren Finanzierungsvertrag widerrufen, sondern den gesamten Autokauf rückabwickeln.

Am 09.09.2021 hat der europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mit einer Entscheidung abermals die Rechte von Verbrauchern bei der Finanzierung von Fahrzeugen gestärkt. In mehreren Verfahren gegen die Volkswagen Bank, die Skoda Bank und die BMW Bank halten die Richter des EuGH die Ausübung eines Widerrufsrechts auch noch nach Jahren für möglich, weil die Autobanken ihre Kunden beim Abschluss der Kreditverträge nur unzureichend über die Rechtslage informiert haben (Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20).

 

Folgen könnten für die Banken gigantisch werden …

Sofern ein Rückabwicklungsanspruch besteht, betrifft dieser grundsätzlich nicht nur den eigentlichen Finanzierungsvertrag (Darlehens- oder Leasingvertrag). Da es sich um einen sogenannten „verbundenen Vertrag“ handelt, können sich Verbraucher zudem auch vom ursprünglichen Kaufvertrag (des PKW) lösen.

Sie müssen dann zwar den PKW zurückgeben (oder den noch offenen Kreditsaldo zurückzahlen) und mit einem Abzug von Nutzungsverteilen rechnen. Dies kann sich trotzdem noch positiv für den Verbraucher auswirken, da sie ja die in der Vergangenheit geleisteten Raten zurück erhalten. In der Regel rechnet sich eine solche Rückabwicklung stets für den Verbraucher.

 

Um was ging es vor dem EuGH ?

In den nun vom EuGH zusammengefassten 6 Verfahren hatten die Kunden ihren Darlehensvertrag 2018 und 2019 widerrufen. Zum Teil erfolgte der Widerruf vor vollständiger Erfüllung des Kreditvertrages, teilweise erst Jahre nach Zahlung der letzten Rate. Sämtliche Verfahren gegen die diversen Autobanken wurden vor dem Landgericht Ravensburg eingereicht.

Dagegen beteuerten jeweils die beklagten Banken, die nach EU-Richtlinie („Verbraucherkredit-Richtlinie“) erforderlichen Angaben erteilt zu haben. Zudem sei die Widerrufsfrist (in der Regel 14 Tage nach Vertragsabschluss) längst abgelaufen.

Das Landgericht Ravensburg setzte die Klagen aus und bat im Vorlageverfahren den EuGH um Antwort in den offenen Fragen bei Autokreditverträgen. Brisant aus Sicht der Kreditinstitute: Bislang hatte ihnen der Bundesgerichtshof (BGH) mit seiner Rechtsprechung stets den Rücken gestärkt !

Diese Sicherheiten nahm ihnen nun der EuGH. Die Richter in Luxemburg monierten insbesondere die ungenauen Angaben in den Kreditverträgen. So müssten die Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes angegeben sein. Für die Anpassung der Zinssätze sei zudem der reine Verweis auf die Änderungen des von der Zentralbank festgelegten Basiszinssatzes alleine nicht ausreichend.

Auch die Höhe der im Falle einer vorzeitigen Ablösung fälligen Vorfälligkeitsentschädigung muss demnach für einen Durchschnittsverbraucher „in leicht nachvollziehbarer Weise“ angegeben sein.

Den Einwand der Autobanken auf einen Rechtsmissbrauch durch die Kunden oder eine Verwirkung des Widerrufsrechts ließen die Richter nicht zu. Unter Berufung auf das EU-Recht dürfe der Kreditgeber den Widerruf nicht ablehnen, wenn eine zwingend vorgeschriebene Angabe im Kreditvertrag fehle und nicht nachträglich mitgeteilt worden sei. Auf das Wissen des Kunden über sein Widerrufsrecht komme es dann nicht mehr an.

 

BGH hatte bislang anders entschieden …

Die Auswirkung der Entscheidung auf deutsche Gerichte muss nun abgewartet werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als dass sich der BGH mit einem Großteil der aufgeworfenen Vorlagefragen bereits auseinandergesetzt hat. Es ist also nicht garantiert, dass der BGH die Entscheidungen des EuGH akzeptiert und somit für die deutsche Rechtsprechung maßgeblich übernehmen wird.

Dessen ungeachtet sollten Autokäufer fachkundige Hilfe in Anspruch nehmen und ihre Kreditverträge überprüfen lassen. Dies gilt auch für zahlreiche andere Kreditinstitute, nicht nur für die hier beklagten Autobanken.

 

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Bank- und Kapitalmarktrecht

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16.09.2021
Patrick Zagni
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